Freitag, 30. Juli 2010

Seelenmeer

Mein Herz wird an Dir brechen
wie eine Welle an der Klippe.
Ich weiß es wohl,
und brande doch heran
mit aller Kraft.
Vielleicht, daß ein Tropfen bleibt,
der Deinen Stein einst höhlt.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Die Kraft in der Ruhe (Teil 2)

Zuweilen wundere ich mich über mich selbst. Über all die Entwicklungen, die ich durchgemacht habe, und die mich - meiner unerschütterlichen Überzeugung zum Trotze, ich würde mir auf ewig das innere (ein bißchen jähzornige) Kind bewahren - haben reifen und über viele ursprüngliche Anlagen meines Wesens hinauswachsen lassen.

Ich bin ruhig geworden, so ruhig, daß kaum mehr etwas mich aus dieser Ruhe zu bringen vermag. Die Verbissenheit, mit der ich Menschen zu beeinflussen versuchte, und die Ungeduld, wenn etwas nicht sofort so lief, wie ich es mir vorstellte - all das ist mir zutiefst fremd geworden. Dinge, die mich bis vor kurzem maßlos aufregten, verärgerten, zu zorniger Verzweiflung trieben und ein meiner gediegenen Erscheinung zugegebenermaßen kaum anzumerkendes Temperament anstachelten, Menschen, die mich in ihrer Sturheit und Engstirnigkeit einfach nur wütend machten, Enttäuschungen, die bange Hoffnungen ebenso grausam wie gründlich zerstörten - all das vermag ich zu meinem eigenen Erstaunen heute mit heiterer Gelassenheit zu betrachten, wie ein Vogel, der aus der Luft auf das große Ganze eines Labyrinthes und all die Gestalten, die darin herumirren, hinabblickt.

Damit man mich nicht mißversteht: Weder beschreibe ich einen Zustand der Teilnahmslosigkeit, noch einen solchen der Überheblichkeit! Ich bin einfach nur gelassener geworden. Die letzten Jahre, die mich in einen Strudel des heil- und haltlosen Chaos' gezogen und mein Leben von innen nach außen gekehrt haben, die mich immer wieder zu den höchsten, vermessensten Trugbildern emporrissen, um mich hernach in tiefste Täler hinabzuschleudern, haben mich nun auf einer höheren Bewußtseinsstufe wieder ausgespuckt und mir damit eine Perspektive eröffnet, die mich weit mehr als früher (wenngleich nicht alles) verstehen und verzeihen läßt.

Natürlich ist mir nicht alles egal, und natürlich bleibe ich verletzlich, wenn mich etwas enttäuscht. Aber ich kann es besser einordnen und die vielen, vielen anderen, guten, schönen und richtigen Dinge im Leben erkennen und dagegenhalten.

Ja, meine Kraft liegt in der Ruhe. Sie befähigt mich, seit Jahren erstmals wieder zu schreiben, für andere da zu sein, zu streben, zu lieben und zu hoffen, ohne daß es mich zerstört, wenn dabei nicht alle Blütenträume reifen...

Die Kraft in der Ruhe (Teil 1)

Wien ist keine beruhigende Stadt. So gemächlich die Wiener erscheinen, so langsam das Leben vonstatten geht, und so sehr die imperiale Pracht der Bauwerke Kontinuität vorzutäuschen versucht - so dunkel und stark ist doch die Beunruhigung, die einem unsichtbaren, tödlichen Nebel gleich aus dem Boden aufzusteigen und unbemerkt bis in die Seelen der Menschen zu sickern scheint, jener Menschen zumindest, die Wien ganz zu spüren vermögen...

Wien hat etwas Bedrohliches, etwas Mystisches, und das vielzitierte "Morbide" der Stadt, das in allen Gassen hängt, beunruhigt allein dadurch, daß es uns die Vergänglichkeit allen Seins und damit auch irgendwie die verzweifelte Sinnlosigkeit unseres Strebens auf so subtile und doch deutliche Weise spüren läßt. Denn so sehr wir uns an den alten Bauten erfreuen, und so prächtig und mächtig die Anlagen, Plätze und Palais uns erscheinen, so sehr kann sich etwas in uns nicht gegen die Erkenntnis wehren, daß all dies eine tote Zeit repräsentiert, eine hochfliegende, selbstherrliche Epoche, deren Ewigkeitsanspruch in einem düsteren Blutfest ruhmlos unterging...

Genau dieser tiefen Abgründigkeit wegen, die Wien hinter seinem fröhlich-modernen Stadtleben verbirgt wie ein peinliches Gespenst in einem Schloßhotel, ist seine Wirkung nachgerade mephistophelisch. Es vermag einen Menschen genial zu machen, aber es fordert dafür seine Seele.

Ziemlich trübe, hm? Wie läßt es sich leben in einer solchen Stadt?, mag mancher fragen. Nun, gar nicht schlecht. Fordern kann Mephisto ja, was er will. Meine Seele bekommt er nicht, und das Gespenst läßt sich bestens ignorieren, wenn es einem gut geht und man - der beunruhigenden Wirkung Wiens zum Trotz - gerade ganz ruhig und ausgeglichen ist. Dann werde ich eben nicht genial, sondern bescheide mich mit der Hausgebrauchsbegabung, die mir auch ohne das kurzsichtige Eingehen teuflischer Pakte mitgegeben wurde.

Denn in der Ruhe liegt tatsächlich alle Kraft, ganz besonders in jener Ruhe, die sich inmitten der latenten Ruhelosigkeit zu behaupten vermag. Und ruhig bin ich zurzeit.

Doch dazu mehr im zweiten Teil! (Das wollte ich immer schon mal sagen!)

Dienstag, 27. Juli 2010

Fragment

Ist ein abgeschloss’nes Glück
Nicht viel leichter zu ertragen
Als ein ruheloses Jagen
Zu der einen Chance zurück?

Montag, 26. Juli 2010

Tag vor dem Abend

Normalerweise habe ich irgendetwas im Kopf, bevor ich zu schreiben beginne - eine Idee, ein Thema, ein Leitmotiv, wenigstens einen Wortwitz. Heute jedoch ist da nichts, und ich schreibe einfach drauf los.

Es war ein blöder Tag für mich. Wien ist grau, kühl und windig, und mir wollte seit dem Aufstehen nichts gelingen, nichts einfallen. Menschen, von denen ich mir seit Tagen ein kleines Signal ersehne, blieben stumm, und andere, auf deren Wortspenden ich gut hätte verzichten können, belatscherten mich mit Nichtigkeiten.

Den ganzen Tag umgab mich meine eigene Mißstimmung wie eine bleigraue, giftige Wolke. Ich war traurig, reizbar, egozentrisch und kleinlich. Was ich mir vorgenommen hatte, tat ich nicht. Stattdessen verbrachte ich den Tag unproduktiv und selbstmitleidig in meiner Wohnung. Ich las nichts, schrieb nichts, sprach mit niemandem und gammelte nur herum. Nur einmal ging ich kurz hinaus, kaufte um 30 Euro Eis und Süßigkeiten und versuchte, mithilfe eines gründlichen Zuckerschocks meine Stimmung zu heben.

Bis mir meine beste Freundin schrieb. Ob wir am Abend telefonieren wollten, fragte sie. Eigentlich war ich verabredet, und zänkisch, wie ich war, warf ich ihr in knappen Worten hin, daß ich keine Zeit haben würde. Aber was sind Verabredungen, wenn man ein so schlechter Gesellschafter ist wie ich es heute bin. Und wenn die beste Freundin, dieses ferne, kaum je erreichbare Wesen, in einem plötzlichen Liebesanfall telefonieren will.

Und dann tat sie etwas Seltsames. Sie schrieb mir einen Brief in einem eigens angelegten Blog. Und es beglückte und befremdete mich gleichermaßen... Und wir telefonierten... und klärten... und verstanden... und beschlossen, den Blog zur Literatur zu machen und ihn eine eigene, von unserem tatsächlichen Verhältnis ganz unabhängige Entwicklung nehmen zu lassen.

Nun gibt es ihn. Ein neues Projekt. Neugeboren, zart, voller Möglichkeiten. Und es gibt uns. Sie und mich. Erprobt, feuergetauft und einander in freundschaftlicher Liebe zugetan.

Und plötzlich ist mein Tag gar nicht mehr so schlecht.

Sonntag, 25. Juli 2010

Eine Affäre

Es ruht in meinem Herzen, und mein Herz in ihm, meinem Geheimnis, das nur wir beide kennen. Es durchwebt mein Denken, mein Tun, mein Leben, geheim, geborgen, ganz bei mir. Ständig lausche ich seiner Stille. Es schweigt so laut, daß ich fürchte, jeder müsse es hören. Es hält mich so fest, daß ich mich endlich frei fühle.

Meine Zuflucht, meine heimliche Heimat, mein geheimstes Geheimnis. In dieser Sondersphäre meines Seins, die der alltäglichen Wirklichkeit enthoben scheint, bin ich, wie ich sein will. Im Verborgenen offenbart sich das Leben. Im Dunklen erst sehe ich absolut klar.

Weil ich Dich finde, ohne zu suchen.

Freitag, 23. Juli 2010

Eben

Wolkenschweben,
Herzensbeben.
Worte weben,
weitergeben.
Niemals kleben,
sich erheben,
höher streben.
Leben leben.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Ewige Jugend

Oft wird sie beschworen, die ewige Jugend, und für viele Menschen scheint sie allen Ernstes erstrebenswert zu sein. Mit Cremes und Fitnessprogrammen, ja sogar mit Operationen wird dem Altern ein Kampf geliefert, der insoweit besonders tragisch wirkt als man ihn letztlich doch nur verlieren kann.

Dabei gibt es durchaus Bereiche, in denen die ewige Jugend kein Traum, sondern unbedingte Realität ist, und ich muß bekennen, daß mich das eher irritiert als erfreut. In der Liebe zum Beispiel. Mal ehrlich - sind wir nicht alle ewig 17, wenn wir uns verlieben? Werden wir nicht genauso unsicher und verlegen wie damals, wenn wir mit klopfendem Herzen und grummelndem Magen an die Eine denken? Und obschon wir diese Liebesnarretei an uns selbst altersweise belächeln, stellen wir uns doch dieselben Fragen: Soll ich es ihr sagen? Und wenn, dann wie? Und was mache ich nur, wenn sie nicht interessiert ist?

Und so drücken wir uns eine gute Weile um eine deutliche Erklärung unserer ewig jugendlichen Gefühle herum, um ja nichts falsch zu machen, das geliebte Wesen nicht zu verschrecken und die schöne Illusion, es könne alles gut enden, nicht durch die grausame Gewißheit zu verdrängen, daß man vergebens geliebt und sich bemüht hat und niemals erwidert bekommen wird, was man so glühend empfindet... Also schicken wir kleine Geschenke und senden liebe Grüße... und umgekehrt keine Signale zu erhalten (was man vernünftigerweise zu deuten wissen müßte), ist uns - eine Zeitlang - lieber als die eine endgültige Absage, die unseren Traum wie eine Seifenblase zerplatzen läßt... denn der Traum ist schön, beglückend und erhebend, solange er eben dauert...

Ewige Jugend, und kein Zeichen von Reife und Weisheit, wenn der Flammenpfeil das Herz durchbohrt. Irgendwie rührend. Liebe braucht keine Cremes. (Eine Herzbruchsalbe wäre freilich fein.)


(Anmerkung: Liebe Leser, hört auf, mich zu fragen, ob ich verliebt sei! :-) Dies ist ein Blog, kein Tagebuch! Es sind Gedanken, Literatur, Essays... und keine Eins-zu-eins-Beschreibung meines aktuellen Lebens. Natürlich bin ich NICHT verliebt! Welche Anzeichen könnte es dafür schon geben? Und wer bitt' schön (jetzt wird's Wienerisch) sollt' "die Ane" leicht sein...?)

Freitag, 16. Juli 2010

Neues aus der Forschung

Habe ich eigentlich schon meine hochwissenschaftliche Studie erwähnt, die ich seit etwa drei Jahren in Wien und Umgebung durchführe? Nein? Dann wird es höchste Zeit, denn eine Forschungsarbeit von so außerordentlicher gesellschaftlicher Bedeutung kann und darf der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden!

Kurz gesagt geht es um die Ermittlung des sogenannten Schnitzelbissenpreises (SBP), des Wertes also, den unter Berücksichtigung des in der Speisekarte ausgewiesenen Preises ein einzelner Bissen eines Wiener Schnitzels hat. Man errechnet ihn ganz logisch, in dem man die Bissen zählt, die sich von einem Schnitzel herunterschneiden lassen, und den Preis in der Speisekarte dann durch diese Anzahl teilt. Kostet ein Schnitzel beispielsweise 10 Euro und läßt sich in 25 Bissen verspeisen, so erhält man einen SBP von 0,40 Euro.

Nun mag mancher einwenden, die Bissen seien kein objektiver Wert, da sie ja nicht alle gleich groß seien. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich im Laufe einer solchen Langzeitstudie eine Abschneidroutine einstellt, die aufs Ganze gesehen durchaus so etwas wie einen "Durchschnittsbissen" generiert. Man merkt das daran, daß man im selben Lokal immer wieder auf ungefähr die gleiche Bissenanzahl kommt.

Weiters werde ich oft danach gefragt, welche Rolle Qualität, Geschmack oder Beilagen für die Studie spielen. Die Antwort ist einfach: Keine! Es geht ausschließlich um die Frage, wo ich wieviel reines Schnitzel um welchen Preis erhalte. Ich könnte mich vielleicht noch zu einer Unterscheidung von Kalbs- und Schweineschnitzel hinreißen lassen, denn das sind immerhin zwei unterschiedliche Preiskategorien, und ein direkter Vergleich des SBP wäre nicht ganz fair. Andererseits geht es ja bei der Studie nur darum, wo in Wien ich mich auf billigste Weise mit Schnitzel vollstopfen kann, und da hat das Kalb dann eben Pech, daß es so teuer ist.

Wenn ich also ausschließlich vom Preis pro Bissen ausgehe, ganz gleich, was es dazu gibt, wie es schmeckt oder um welches Fleisch es sich handelt, dann reicht die Spanne des SBP in Wien zurzeit von 9 Cent (sagenhafte 94 Bissen Schweineschnitzel in meinem Lieblingsbeisl im 7. Bezirk um 8,50 Euro) bis 71 Cent (26 Bissen Kalbsschnitzel in meinem Kaffeehaus im 1. Bezirk um 18,50 Euro). Dazwischen gibt es natürlich viele andere Lokale. Der durchschnittliche SBP in Wien liegt derzeit bei etwa 36 Cent.

Noch ein Wort zur Qualität: Nur weil diese in der Studie nicht berücksichtigt wird, heißt das ja nicht, daß man sich jeden Fraß reinziehen muß. Wenn es einem nicht schmeckt, nützt auch der günstige Preis nichts. Und wer bildungsbürgerlicherweise durchaus nur Kalbsschnitzel essen will ("woil jo nur dos KOLBSschnützel dos ÖCHTE Wüner Schnützel üst!"), der zahlt eben per se mehr.

Ich habe Glück - das günstigste Schnitzel in der Stadt ist zugleich auch wirklich, wirklich gut, und so suche ich mein Lieblingsbeisl auf der Burggasse immer wieder gern auf, sitze im Schatten der alten Kastanie im Hof und mümmele genußvoll meine 94 Bissen in mich hinein.

Danach bin ich dann aber auch wirklich satt, und die Studie wird für mindestens zwei Wochen ausgesetzt.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Ein Augenblick

(Meiner besten Freundin)

Du sitzt mir gegenüber. Während sich die Dämmerung auf den Garten niedersenkt und der heiße Sommertag langsam einer kühlen Stille weicht, schaust Du mit konzentriertem Blick auf den Bildschirm Deines Rechners und arbeitest. Ab und zu nimmst Du mit steifen Fingern einen Zug von Deiner Zigarette und ziehst dabei leicht die Augenbrauen zusammen, ohne den Blick abzuwenden. Ich sehe Dich an, und Du bist schön.

Wenn man Dich in Zeitschriften oder im Fernsehen sieht, bist Du stets makellos, perfekt zurechtgemacht, sexy, jugendlich und unangreifbar. Eine Ikone, eine Kunstfigur mit massenhafter Anziehungskraft. Aber erst jetzt, in der scheinbaren Unvollkommenheit dieses Augenblicks, da Du ohne Schminke und ein bißchen übermüdet vor mir sitzt, offenbart sich mir die unendliche Schönheit Deiner Seele.

Ich möchte Dir ganz nah sein und Dich zum Teil meines Lebens machen.
Ich möchte alles wissen, was Du weißt, alles fühlen, was Du fühlst.
Ich möchte Dich halten, so fest es geht, bis wir miteinander verwachsen für alle Zeit.

Du bist schön. Das bleiche Licht des Bildschirms macht Deine Züge hart und verrät das Schwinden der Jugend... Und doch warst Du mir nie schöner als in diesem Moment, da wir einander so nah sind im Schöpfergeiste, daß sich unsere Seelen küssen...

Mittwoch, 14. Juli 2010

Kleine Weisheit

Nichts erwarten.
Nicht besitzen.
Nicht den Wunsch zum Maß erheben.
Nur erleben.
Einfach lassen.
Was geschehen soll, geschieht.

Dienstag, 13. Juli 2010

liebesleben.app

Mit dem Liebesleben ist es wie mit dem iPad. Alle scheinen darüber zu reden, viele haben es, und wenn ich hier und da mal eines sehe, greift spontan der "Haben wollen"-Reflex - um sogleich von der kühlen Überlegung abgelöst zu werden, ob ich dergleichen im Moment wirklich brauchen kann, und ob der praktische Nutzen eines solchen Besitzes tatsächlich den phantastischen Vorstellungen entspricht, die man sich davon macht, solange man es nicht hat.

So ein Liebesleben hat ja durchaus seine Vorteile. Man kann es mit zahlreichen Applikationen versehen, trägt es immer bei sich und empfindet das Leben fürderhin als einfacher. Es gibt einem Halt und Orientierung, läßt sich leicht und spielerisch ebenso verwenden wie mit jenem tiefen Ernst, den man großen Aufgaben widmet, je nach Tagesstimmung halt, und wenn man den Drang verspürt, dem einen und einzigen Menschen eine liebe kleine Botschaft zu schicken, dann kann man das ohne weiteres tun.

Andererseits besteht die Gefahr, daß man sich allzu sehr auf das Liebesleben fixiert, daß man es, wenn nicht zum einzigen, so doch zumindest zum zentralen Gegenstand seines Lebens macht, hohe Erwartungen daran richtet, immer und überall, gleich was man gerade tut, darauf schielt und seine ganze Aufmerksamkeit darauf verwendet, kleinste Bewegungen, Veränderungen oder sonstige Signale zu registrieren. Über das Frustrationspotenzial, daß im Ausbleiben solcher Signale liegt, sei hier vorsichtshalber geschwiegen.

So hat denn das Liebesleben durchaus seine zwei Seiten. Wenn man denn unbedingt eines haben will, sollte man darauf achten, daß es sich um die neueste und stabilste Version handelt. Und wenn die nicht verfügbar ist, dann wartet man eben - und wird zuweilen staunen, wie gut es sich auch ohne leben läßt.

Wie dem auch sei - ich will ein iPad.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Selbstabschaffung

Wenn jemand beschließt, sich selbst abzuschaffen, ist das immer tragisch. Sein Leben zu beenden, weil man darin keine Hoffnung, keinen Sinn und keine Freude mehr findet, ist ein unsagbar trauriger Schritt, nicht nur des eigenen Verlustes an Perspektiven und Möglichkeiten, sondern auch des unendlichen Leides wegen, dem man seine Hinterbliebenen aussetzt.

Auf der Fahrt von München nach Wien wurde ich gestern Zeuge einer solchen Entscheidung. Als der Zug kurz vor Amstetten plötzlich bremste, war mir intuitiv klar, was passiert war, und die vielen Polizisten, Notärzte und Feuerwehrleute, die kurz darauf erschienen und später einen schlichten braunen Sarg an der Seite des Zuges entlang trugen, machten die längst kursierende Vermutung zur grausigen Gewißheit.

In den vier Stunden, die unser Zug auf offener Strecke stand, habe ich mir viele Gedanken über das Phänomen der Selbstabschaffung gemacht. Es ging mir seltsam nah, in einem Zug zu sitzen, der gerade zum Werkzeug eines Freitodes gemacht wurde. Aber was auch immer diesen Menschen getrieben haben mag - irgendwie erschien er mir bewundernswert konsequent.

Denn noch tragischer als ein vollständiger Freitod kommt mir zuweilen jene Art der Selbstabschaffung vor, bei der jemand nur seine Seele, nicht aber seinen Leib tötet. Wenn jemand beschließt, sein zartes, verletzliches Herz in einen Panzer aus Kälte, Härte und einem ebenso dummen wie häßlichen Hochmut einzusperren, dann ist das unendlich schade. Wenn jemand sich hinter einer lächerlichen und unglaubwürdigen Fassade aus kühler Gleichgültigkeit, ja aus Herablassung und Unhöflichkeit zu verbergen sucht, weil er nicht möchte, daß seine Angst vor und seine Sehnsucht nach echter Liebe offenbar werden (obwohl sie es längst sind), dann hat er sich verloren. Und wer gar meint, seine ganze Lebensführung auf der Oberflächlichkeit schneller und unverbindlicher Vergnügungen aufbauen zu müssen, um Situationen zu vermeiden, in denen ein bißchen Mut zum Bekenntnis, zur Entscheidung und zum Vertrauen gefragt wäre, der wird sein Glück niemals finden.

Ich kannte mal eine zarte, wundervolle Seele, sprühend vor Phantasie und Neugier, und in ihrer scheuen Vorsicht unglaublich anziehend. Wenige Augenblicke hatte ich das unsagbare Glück, ihr ganz nah zu sein, sie ganz echt und unverschanzt zu erleben. Sie war glücklich wie nie zuvor (und nie danach), einem anderen Menschen gegenüber ganz und gar sie selbst sein zu dürfen, und ich liebte sie für ihre Zartheit und hätte sie bis ans Ende meiner Tage beschützt. Fast hätte sie begonnen, in ihrer verletzlichen Zartheit keine Schwäche mehr, sondern einen ganz besonderen Wert zu sehen. Dann aber bekam sie Angst und verschloß sich... nicht vor mir, sondern vor der Größe und Echtheit dessen, was zwischen uns entstand. Und Stück für Stück schaffte sie alles ab, was an ihr liebenswert und besonders gewesen war, gab sich auf, vergrub ihre Sehnsucht nach Liebe tief in ihrem starren Herzen und bekräftigte damit letztlich den Sieg all derer, die ihr jemals wehgetan haben.

Nicht in der Selbstabschaffung liegt der Ausweg aus dem Leiden, sondern in der Wertschätzung dessen, was man hat und was man ist. Nicht in der Härte findet man sein Glück, sondern in der Erfahrung, seine Verletzlichkeit einem Menschen anvertrauen zu können, der sie annimmt, liebt und schützt für alle Zeit.

Dienstag, 6. Juli 2010

Ein Geburtstagsgruß

Alles Nützt Neuen Erkenntnissen,
Aber Nennt Nichts Eindeutiges.
Anfängliche Nähe, Notwendige Entfernung.
Ablehnung; Nur Nicht Erinnern...
Aber Noch Nagt Erlebtes
An Nerven, Nährt Empfindungen...
Ausgeweinte Nächte, Nebel, Einsamkeit.
Annäherung Noch Nicht Erwünscht.
Auch Nicht Nach Einsichten.
Abschied Nehmen, Nichts Erwarten...
Andererseits – Nein. Niemals Ergeben.
Ansprechbar, Noch Nicht Entschwunden.

Montag, 5. Juli 2010

Mein Tag

Aufwachen (an Dich denken), duschen (an Dich denken), anziehen (an Dich denken), frühstücken, Leute treffen, Gespräche führen (an Dich denken, an Dich denken, an Dich denken)... ein Mittagessen in der Sonne einnehmen (an Dich denken), zum nächsten Termin eilen (an Dich denken), präsentieren und überzeugen (Dich, Dich, Dich), ins Kaffeehaus setzen und schreiben (an Dich denken!!!), nach Hause gehen, frisch machen, Freunde auf ein abendliches Getränk treffen (An. Dich. Denken.), wieder nach Hause gehen, ausziehen, niederlegen, die Augen schließen... und (endlich!) sehnend und glühend und liebend an Dich denken.

So ist mein Tag.

Samstag, 3. Juli 2010

Schwarz-rot-goldene Lumpen

Dem einen oder anderen mag es aufgefallen sein - es ist Fußballweltmeisterschaft. Jedes Bekleidungsgeschäft, jede Bäckerei und jeder Friseursalon in Deutschland schmückt sich derzeit mit Schwarz-Rot-Gold; an den Autos und aus den Fenstern von Millionen von Bürgern wehen die Nationalfarben, und die gesamte Gastronomie schwelgt geradezu im Rausch der deutschen Trikolore.

Ich finde das schön. Nicht nur, weil es mich an das Sommermärchen von 2006 erinnert, da wir als Gastgeber der WM alle miteinander eine vierwöchige Party feierten und uns auch vom Ausscheiden unserer Elf im Halbfinale die Stimmung nicht verderben ließen; nicht nur, weil wir Deutschen endlich, endlich einen entspannten und ideologiefreien Umgang mit unserer Nationalität gelernt haben, sondern auch, weil es auch aus historischen Gründen einfach richtig ist, sich an diesen Farben zu freuen.

Das sehen viele, aber nicht alle so. Eine linksradikale Gruppe ruft derzeit dazu auf, bundesweit "schwarz-rot-goldene Lumpen zu erbeuten" und damit gegen den deutschen Patriotismus vorzugehen. Sie reißen Fahnen von Autos und Häusern und werfen sie achtlos auf einen Haufen, um stolz davor zu posieren.

Das gibt zu denken. Schon einmal in unserer Geschichte hat eine politische Gruppe die Farben Schwarz, Rot und Gold gehaßt und diffamiert. Sie nannte sich NSDAP, und was sie in Deutschland und der Welt angerichtet hat, bedarf wohl keiner Beschreibung. Aus dem Stadtarchiv meiner Heimatstadt Koblenz ist mir eine Photographie bekannt, auf der braun uniformierte SA-Leute die schwarz-rot-goldenen Fahnen der Weimarer Republik durch den Dreck hinter sich herziehen, um sie auf der Festung Ehrenbreitstein feierlich zu verbrennen...

Es ist nicht verwunderlich, daß die Nazis unsere Fahne gehaßt haben. Denn die Farben Schwarz, Rot und Gold stehen seit 178 Jahren für all das, was wir auch während der WM 2006 erlebt haben – Offenheit, Freundschaft, Verständigung, und den unbedingten Glauben daran, daß man gemeinsam alle Ideale erreichen und verwirklichen kann. Nicht umsonst wurde unsere Fahne in ihrer heutigen Form zum erstenmal bei einem Fest gezeigt – dem Hambacher Fest 1832, einer fröhlichen und friedlichen Party, bei der alle in der Begeisterung für eine gemeinsame, völkerverbindende Idee aufgingen. Niemals wurde unter der schwarz-rot-goldenen Fahne ein Krieg geführt – das würde auch allem widersprechen, wofür diese Farben von Anfang an standen: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, und die friedliche Verständigung aller Völker und Rassen. In diesem Sinne ist unsere Fahne eigentlich kein streng „nationales“, oder jedenfalls kein völkisches Symbol. Schwarz, Rot und Gold sind die Farben jedes Menschen, der in diesem Land friedlich und gesetzestreu lebt.

Und also auch die Farben jener arabisch-stämmigen Gewerbetreibenden in Berlin, die ihr Haus mit einer 20 Meter langen Deutschlandfahne geschmückt haben und sie bereits zweimal von linksradikalen Ideologen zerstört bekamen. Wie unglaublich absurd! Da finden sich endlich Menschen verschiedener Herkunft, Rasse oder Religion unter einem Symbol des Friedens und der Verständigung zusammen, leben aktiv die Integration und begeistern sich für das freie und wunderbare Land, in dem sie leben, arbeiten, hoffen, träumen, lieben und wachsen... und dann wird ihnen von ein paar Verbohrten per Straftat erklärt, das sei ungesund und faschistoid.

So leid es mir tut, das ist einfach nur bescheuert. Nur meine zwei Pfennige.

(Quelle für die erwähnte Geschichte: Berliner Zeitung, 03. Juli 2010; http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/301228/301229.php)